“Da erkennt man nicht was es ist”. “Da is ja nix scharf”. “Das könnte ja jeder fotografieren!”.
Häufig werden angesichts dieses Bildes solche oder ähnliche Gedanken und Kommentare durch den Kopf der Betrachter gehen. Vor allem, wenn sie selber fotografieren. Ja, ja und ja, kann ich dazu sagen. Ja, da erkennt man kein Objekt – das Foto dokumentiert kein Ding. Ja, da ist nichts scharf und das ist gewollt so. Ja, das kann jeder machen und das ist doch gut so.
Ich fotografiere nicht kompetitiv, um besser als andere zu sein, sondern weil ich auf der Suche bin. Ich suche eine Welt jenseits der banalisierenden Etikette. Die Welt verstehe ich nicht als fixer Zustand, der sich durch möglichst viel Schärfe im Bild objektivieren lässt. Vielmehr verstehe ich die Welt als Prozess, als Interaktion zwischen Dingen. Nachts um zehn Uhr in einer fremden Stadt, begegne ich einer Szene die mich gefangen nimmt, die mich emotional berührt. Ich fühle mich hin gezogen, eingeladen Teil zu haben an einem Fest vibrierender Augenblicke, getüncht in dramatische Farbakkorde. Das Ding dahinter ist komplet belanglos. Es ist der Moment, die Begegnung, die Stimmung, das bei mir ausgelöste Gefühl, von einer zauberhaften Szene jenseits des Objekthaften begrüsst zu werden. Ob das nun eine Tankstelle ist oder der Eingang zu einem Bordell, ob es aber doch nur eine Aldi-Filiale ist oder eine Polizeistation… der Blick hinter das Objekt ermöglicht erst den Zugang zu einem Moment.
Unser Hirn ist trainiert darauf, Dinge zu erkennen, zu kategorisieren und dann zu vergessen, zu bekämpfen oder haben zu wollen. Dabei geht so viel Wundersames verloren. Die Beschreibung “Tankstelle” oder “Aldi-Filiale” ist nur eine Maske, eine Hülle die dem Kürzestbetrachter etwas Banales vorgibt. Lasse ich diese Beschreibung weg, so nähere ich mich quasi der Innenwelt des Dings. Das Objekt verliert an Bedeutung, dafür tritt sein innerer Zauber auf. Es ist wie mit dem verliebt sein: man erhält Zugang zu einem Wesen jenseits der Hülle.
Diesen Innenwelten bin ich auf der Spur, immer wieder, immer anders und überall. In der Folge werde ich hier noch ein paar andere Bilder aus dieser Suche zeigen.
Für alle diejenigen, die sich durch so “unscharfes Zeugs” provoziert fühlen sei versichert: ich kann auch scharf. Und es kommen auch mal wieder “richtige Bilder”. 😉
Für alle anderen: viel Spass beim Blick hinter das Ding.
English abstract:
“Can’t identify nothing here”. “Dude, nothing is in focus!”. “Enyone could take this photograph”. Many viewers of this kind of pictures will probably think alike, especially if they are photographers themself. Well, yes, yes and yes. Yes, there is no object clearly identifiable in this shot: The photo does not want to document any objects. Yes, there is nothing sharp in this shot and I did so deliberately. Yes, anyone can take this kind of photographs and I think this is sweet.
I’m not competing with my photography, I am searching. Im searching for a world beyond the label that we so quickly glue to identifiable objects. I don’t understand the world as a state that can be objectively documented just by means of excellent sharpness. I understand the world as a process, a interaction between things. In the middle of the night, being captivated by light, color and meaningless form, the question what it was is of no importance to me. Only the quality of the attraction is what I am interested in. Who cares if this is a walmart store, a brothel or a gas station… it is the momentum of perpetual attraction.
It’s similar to trying to look behind a mask. It’s not the surface that I am interested in here. It’s the quality behind the mask. This kind of photography is like falling in love: I begin to see qualities that lie well beyond the surface.
Yours truly
Cannot agree more with your English abstract. You have been very good in explaining the philosophy of this photo.
I enjoyed it. Thanks.
Thank you, bambadi. Glad the translation worked. 🙂
cheers
®
Pingback: Energy pathways | Galleria Punctum Saliens Blog